...es beginnt eigentlich viel früher: Alfetta 158/159 

Die alten Rennwagen aus der Zeit um den 2. Weltkrieg waren die Namensgeber der Wiederauferstehung der Transaxletechnologie in den siebziger Jahren. Der Ursprung entstand aus einer neuen Rennformel. Diese wurde Ende der 30er Jahre alternativ zu den geläufigen „grossen“ Kubaturen geschaffen und sollte einen Motor mit einer Grösse von maximal 1500cm³ haben.



In dieser „voiturette“ (französisch für kleiner Wagen) - Formel wollte auch Alfa Romeo vertreten sein, und schuf ebenso einen kleinen Renner, die „Alfetta“ (für: kleiner Alfa) 158.

Diese basierten auf Transaxle-Technik, also Motor vorne und Getriebe hinten. Das Triebwerk war ein aufgeladener Reihen-Achtzylinder mit anfangs einem und später zwei Roots-Ladern. Aus dieser Motorisierung ergibt sich auch die Namensbezeichnung: 15 für den Hubraum, 8 für die Zylinderanzahl.
Die Leistung erreichte bis zur letzten Ausbaustufe in der Alfetta 159 hin beachtliche 425 PS! Die Alfetta 159 hatte noch eine Änderung an der Hinterradaufhängung: eine De Dion Achse verhalf ihr zu noch besseren Fahreigenschaften, die die 116er Generation vom Start weg mitbekam. Ein Unterschied, an denen man beide Modelle leicht auseinanderhalten kann: die 158 hat nur ein Auspuffrohr, die 159 hat zwei.



Ein unglaublich erfolgreiches Projekt: die Alfetta gewann (abgesehen von vielen Rennen vor dem 2. Weltkrieg) auch nach dem Krieg die ersten beiden Formel 1 Weltmeisterschaften, obwohl der Ursprung der Konstruktion bereits 13 Jahre auf dem Buckel hatte! 47 (!) von 54 Grand Prix Rennen wurden gewonnen, eine Dominanz wie sie immer wieder in dieser Formel zu sehen ist.

Als 1967 in Arese das Projekt zur Alfetta 116 gestartet wurde, lagen die Siege dieser Rennboliden schon 16 Jahre zurück. Eine Zeit, in der die Automobiltechnik große Fortschritte gamacht hatte und Großserienfahrzeuge inzwischen die Massen mobil machten.
Alfa Romeo befand sich technisch in einer Vorreiterrolle. Die Fahrzeuge waren sportlicher ausgelegt als der Großteil der Konkurrenz zu dieser Zeit. Diesen Status galt es auszubauen.
Also begann die Suche nach einem neuen Fahrzeugkonzept. Verschiedene Fahrwerksprinzipien wurden miteinander verglichen.

Dabei zog man auch einen Prototypen von 1954 zu diesen Tests heran: das "Alfa Romeo 2000 sportiva coupe" 







Dieser damals auch schon 13 Jahre alte Prototyp verfügte über eine DeDion-Achse, Wattparallelogramm und innen am Differential liegende Bremsen (Trommeln). Dieses Layout erwies sich sogar gegenüber moderneren Konstruktionen bei Testfahrten als überlegen.
Daher wurde dieses Merkmal zum entscheidenden Prinzip des neuen Projekts "Alfetta". Und das ´54er Sportiva Coupe darf als einer der Stammväter der Transaxlealfas gelten.

Während die Hinterachse somit als gesetzt galt, bereitete die Umsetzung der Transaxleprinzipes mit der "schnellen" Kardanwelle große Probleme. Die Vibrationen waren nicht in den Griff zu bekommen. Erst Giuseppe Busso löste das Problem, indem er die Kardanwelle in zwei Teile trennte, in einem Mittellager lagerte und eine weitere Hardyscheibe einbaute. Ein weiteres technisches Alleinstellungsmerkmal der neuen Baureihe.

Pressevorstellung bei Trieste

17. Mai 1972

Alfa Romeo schwimmt auf einer Erfolgswelle.
Was haben die Mailänder nicht schon alles erlebt!

Großartige Triumphe im Motorsport errungen, technisch überlegene Fahrzeuge auf die Straßen gebracht, der Konkurrenz konzeptionell um Jahre voraus........

Aber auch wirtschaftlichen Absturz ins Bodenlose hatte man erlebt. Verlust der Selbständigkeit, man fand sich als Teil der italienischen Staatsholding IRI wieder.

Anfang der 70er Jahre war über dem Unternehmen Alfa Romeo aber eitler Sonnenschein.
Im Motorsport war man mit Autodelta das Maß der Dinge. Technisch profitierte man vom Jahrhundertentwurf der Giulia. Sogar der italienische Staat als Besitzer und Geldgeber erlebte so etwas wie ein Wirtschaftswunder. Beste Voraussetzungen für einen Aufbruch zu neuen Zielen.

Es ging gerade mit dem Unternehmen ähnlich rasant voran, wie mit den GTA´s auf den Rennstrecken.
In Pomigliano´d Arco bei Neapel war ein brandneues Werk für den Alfasud errichtet worden. Und das neue Modell war technologisch ganz vorne dabei, selbst im weltweiten Vergleich. Der italienische Staat hatte seine Spendierhosen angezogen und wollte in einem Streich auch gleich das Nord-Süd-Strukturproblem im Land verbessern.
Im Norden, in Arese, hatte man ja auch ein gerade mal vor zehn Jahren aufgebautes Werk zur Verfügung. Selten konnte man bei Alfa Romeo wohl so aus dem Vollen schöpfen, wie in dieser Epoche.
Und so konstruierten die Ingenieure ein Fahrzeug nach ihren Vorstellungen. Es sollte Alfas technologischen Vorsprung auf Jahre hinaus zementieren.
Turin, nein alle anderen Hersteller sollten von diesen neuen Modellen abgehängt werden. Wer sollte daran zweifeln?

Nun, der Boden der Realität war schon immer hart, wie sich noch zeigen sollte.
Trotzdem haben wir dieser Aera ein eigenständiges und faszinierendes Fahrzeugkonzept zu verdanken. Nur unter diesen Umständen, nur mit diesen Menschen in Mailand und nur bei dieser Marke war es möglich, Transaxlelimousinen wie eine Alfetta tausendfach auf die Straßen zu bringen.

Und mit diesem Modell fing es an.



Hier in einem ersten Test der italienischen Quattroruote:



Pressefotos aus dieser Zeit vermitteln wunderbar das damalige Lebensgefühl.
Die Alfetta war etwas für die, die es geschafft hatten. Für die Erfolgreichen. Die Macher. Die Schnellen.

Italienische Krimis der 70er und 80er Jahre wären ohne Mafiosi in Alfetten nicht realistisch gewesen. Und die wurden gejagt von Carabinere und Polizia - in Alfetten. Waffengleichheit.







Einige dieser Erstserienalfetten - oder "scudo stretto" wie man sie in Italien bezeichnet - haben überlebt. In ihrem Heimatland geniesen sie hohe Wertschätzung und stehen den älteren Alfas kaum noch nach.

1972 hatte die erste Alfetta  im Portfolio Alfa Romeo´s die 105er Berlina 1750  abgelöst.

Drei Jahre später -1975 - folgte der nächste Schritt: die Erweiterung des Modelles um eine einfachere Einstiegsvariante.
Man führte die Alfetta 1.6  ein. Verbaut war, nomen est omen, die 1600er Variante des Nordmotors.
In vielen Details war das neue Modell einfacher gestaltet. Am auffälligsten waren die beiden Rundscheinwerfer, die die Doppelscheinwerfer der Ursprungsalfetta ersetzten. Heutzutage spricht man von einer Alfetta "economica", wenn man diese Version meint.



Auch die ursprüngliche Alfetta wurde überarbeitet und trug nun die Typenbezeichnung Alfetta 1.8 , (Modellreihe 116.42)

Hier die "neue" 1.8er Version ab dem Baujahr 1975:



Während die "economica" das schmale Herz der Erstserie weiter zwischen ihren Einfachscheinwerfern trug, bekam die 1.8 neue Doppelscheinwerfer und ein breites Herz, das "scudo largo".
Im direkten Vergleich die Alfettamodelle des Jahres 1975:

Alfetta 1.8


Alfetta 1.6 "economica"


Streng genommen endete damit 1975 die Zeit der ersten Alfettaserie.

1977 braucht Alfa Romeo einen Nachfolger für die in die Jahre gekommene große Limousine, die Berlina 2000 (105).
Ein Alfa 6 war noch Zukunftsmusik. Einfach den größeren 2.0 Litermotor in die vorhandene Alfetta zu verbauen, wäre technisch problemlos gewesen. Nur wollte man der Kundschaft schon auch etwas repräsentativeres anbieten. Auf der technischen Basis der Alfetta. Die neue "Alfetta 2000" 





Man verwendete praktisch die selbe Karosserie, Fahrgastzelle und Heck waren in der Tat identisch. Dennoch wirkte die neue "große" Alfetta um eine Klasse größer und auch nicht mehr so filigran, wie die bekannten Varianten.
Vor allem die Front war neu gestaltet. Die Motorhaube war nun hinten und nicht vorne angeschlagen. Der Vorbau verjüngte sich nicht mehr so extrem wie bisher und das Heck trug größere Einkammerleuchten.

Aus heutiger Sicht macht diese Alfetta 2000 die Modellfamilie recht unübersichtlich. Oftmals wird sie als "2.Serie" bezeichnet, was aber nicht zutreffend ist. Schließlich wurde 1977 die Alfetta 1.8 (116.42) im wesentlichen unverändert weiter produziert.
Auch die Alfetta 1.6 lief weiter von den Bändern (116.00). Optisch nun aber nicht mehr im Erscheinungsbild der "economica" sondern der 1.8er Version angeglichen. Also mit Doppelscheinwerfern und "scudo largo", dem breiteren Herz.

Am einfachsten macht man es sich, wenn man die "kleinen" und "großen" Alfetten - bei allen technischen Gemeinsamkeiten - als zwei unterschiedliche Baureihen betrachtet. Denn auch die "Alfetta 2000" sollte bis 1984 noch weitere Serien hervorbringen.

Folgende Einteilung hat sich eingebürgert:
I. Serie: Alfetta 2000 (77-78) und Alfetta 2000L sowie 2.0 turbodiesel (78-81)
II. Serie: Alfetta 1.6, 1.8, 2.0, 2.0td und QO (82-83) (unificata)
III. Serie: Alfetta 1.6, 1.8, 2.0, 2.0td, 2.4td und QO (83-84) (unificata)

Diese Einteilung folgt der Logik, größere Änderungen bei Technik, Ausstattung und Karosseriedetails dann auch neuen Serien zuzuordnen. Wobei es innerhalb der Serie I große technische Unterschiede beim Übergang von der Alfetta 2000 zur Alfetta 2000L im Jahr 1978 gab. Es wurde ein neuer Motortyp verbaut (AR01623 - Alfetta 2000 wurde von AR01655 mit 130PS in der Lusso ersetzt), das Getriebe ist völlig neu, ebenso wie die komplette Innenausstattung.
Aber erst die ersten "unificata"-Modelle von 82-83 werden als neue Serie bezeichnet (Serie II) und folglich die Modelle von 83-84 dann als Serie III. Man darf sich also nicht verwirren lassen.

Bei der kleinen Karosserie blieb es bis 1981 bei den 1600er und 1800er Motoren.
Ab dem Jahr 1980 bekam die kleine Karosserie die Türen aus dem großen Modell. Tür"griffe" waren nun versenkte Druckknöpfe und das ausstellbare Dreiecksfenster vorne war verschwunden. Ende 1981 wurde die Produktion der kleinen Karosserie nach fast 10 Jahren eingestellt.

Die Alfettapalette 1977:

Alfetta 1.6:


Alfetta 1.8:


Alfetta 2000: (erste Serie der "großen" Karosserie)


Schon 1978 ersetzt die Alfetta 2000L die ursprüngliche 2000er Alfetta. Es gab eine Reihe Änderungen der Ausstattung und technische Änderungen. Die Leistung stieg von 122PS auf 130PS an.

Alfetta 2000L; zu erkennen u.a. an den neuen Außenspiegeln sowie den dickeren breiteren Chromleisten am unteren Rand der Seitenfenster:

Mit dem Modelljahr 1982 (vorgestellt im November 1981) begann das letzte Kapitel der Alfettaproduktion.
Die seit 1972 im Prinzip kaum veränderte Bauform wurde eingestellt. Dafür ergänzten die 1.6 und 1.8 Liter Motoren nun das Angebot der 2000er-Variante. Es gab jetzt also nur noch eine Karosserieform, die man in Italien auch Alfetta "unificata", also "vereinheitlicht" nennt.
Weniger einheitlich war die Ausgestaltung dieser Alfetten. Die besser motorisierten Modelle hatten gefädelte Scheiben mit Chromrahmen, Basismodelle lediglich Scheibengummis.
Allen gemeinsam ist nun die Zierleiste im unteren Drittel der Türen. Und an einem weitern kleinen Detail kann man frühe 2000er von den späteren Baujahren unterscheiden: der Seitenblinker wanderte am Kotflügel nun hinter die Vorderräder.
Diese Alfetten werden auch vereinfachend als "Serie III" der bezeichnet.

Alfetta 2.0 (1982)


Schon 1983 folgte die vierte Serie mit weiteren Änderungen an der Karosserie.
Kennzeichnend nun die seitlichen Beplankungen anstelle der Zierleisten an den Türen bei den Topmodellen. Die Einstiegsmodelle bekamen zwar die seitlich bis zu den Radhäusern reichenden Stoßstangen, behielten aber die Zierleisten.
Die Rückleuchten und das Kennzeichen waren von einem Kunststoffrahmen eingefasst, die "Brille".
Bisher typisch für alle Alfetten war die Entlüftung der Fahrgastzelle an der C-Säule. Auch dieses Merkmal entfiel nun und wanderte neben die Heckscheibe.

Alfetta 2.0 QO iniezione der letzten Serie vor seinen älteren Geschwistern. Das Topmodell


Alfa Romeo hat sich bei der Alfetta über die Jahre hinweg sehr kreativ im zur Verfügung stehenden Baukasten bedient. Teil dieses Baukastens waren auch seit der Einführung der II.Serie 1978 Turbodieselmotoren mit 2.0 Liter (82PS) und in der IV.Serie ab 1983 sogar 2.4 Liter (95PS) Hubraum.
Damit aber nicht genug. Es wurden eigene Motorsteuerungen (CEM) entwickelt und Einpritzanlagen ergänzten die Vergaserversionen. Dazu findet sich mehr bei den Beschreibungen der einzelnen Modellvarianten.

1984 wurde die Alfetta vom Alfa 90 abgelöst. Diesen darf man zurecht als eine weiterentwickelte Alfetta betrachten. Zwar entfiel beim "Novanta"  die 1600ccm Variante, dafür gab es erstmals den V6-Busso in einer Alfa Transaxle Limousine.
Die Geschichte dieser Fahrzeugfamilie aus Arese geht damit weiter.
Wen es interessiert: -> 101 Alfa 90 - Story und Modellübersicht

• Baureihe • Motore • Typenbezeichnung • Baujahr

kleine Karosserie
• 116.08 • AR01608 • Alfetta • 72-75
• 116.09 • AR01608*S • Alfetta Rechtslenker • 74-75
• 116.00 • AR01600 • Alfetta 1.6 • 75-81
• 116.10 • AR01608*S • Alfetta 1.8 • 74-75
• 116.42 • AR01608*X • Alfetta 1.8 • 75-76
• 116.42A • AR01678 • Alfetta 1.8 • 80-81

große Karosserie
• 116.55 • AR01623 • Alfetta 2000 • 77-78
• 116.55C • AR01655 • Alfetta 2000 Lusso 78-81
• 116.55F • AR01655 • Alfetta 2.0 • 81-85
• 116.55M • AR01334 • Alfetta 2.0 Quadrifoglio • 82-83
• 116.58C • AR01674 • Alfetta 2.0 Quadrifoglio d’Oro • 82-83
• 116.55N • AR01713 • Alfetta 2.0 Quadrifoglio d’Oro Motronic • 83-85
• 116.58 • AR01615 • Alfetta 2.0 America (Spica) • 78-81
• 116B1A • AR01600 • Alfetta 1.6 • 82-84
• 116B2 • AR01678 • Alfetta 1.8 • 82-84

Diesel
• 116B VM 4HT/2 • Alfetta Turbo Diesel • 78-84
• 116B3 VM 4HT/2.4 • Alfetta 2.4 Turbo Diesel • 83-84